Der Beckenboden ist ein eher unterschätztes Muskelgeflecht, welches im Alltag oft zu wenig Beachtung bekommt. Schlussfolgernd ist das Wissen über die Anatomie und die Funktion des Beckenboden in der Allgemeinheit eher niedrig. Um dies zu ändern, stellen wir euch den Beckenboden und seine Aufgaben vor. Ziel ist es am Ende dieses Blogs die Fragen über ein paar wichtige Fakten und Zusammenhänge beim Quiz richtig zu beantworten.
Viele Muskeln werden gezielt trainiert und bewusst in guter Form gehalten. Bei der Muskulatur des Beckenbodens wird dies nicht gemacht, obwohl die Beckenbodenmuskulatur einen eminenten Einfluss auf die reibungslose Funktion von wichtigen Organen (z.B. die Blase) haben. Ebenfalls werden Beckenboden Dysfunktionen oder Syndrome zu wenig als Differenzialdiagnose bei unspezifischen Rückenschmerzen (unterer Rücken), Hüft- und Leistenschmerzen sowie Schmerzen am Schambein befundet (Battaglia, D’Angelo und Kettner 2016).
Der Beckenboden besteht aus drei Schichten von Muskeln. An der Zahl sind es je nach Literatur 9 bis 12 Muskeln, welche zum Beckenboden gehören. Grund dafür ist, dass gerade mehrere Muskeln des Beckenboden mehr als ein Anteil haben. Um sich die Muskeln im Beckenboden besser verstehen zu können, hilft es, sich ein mehrschichtiges Trampolin vorzustellen (Dumoulin, Cacciari und Hay-Smith 2018). Die meisten Muskeln des Beckenbodens kennt man nicht per Namen wie man Muskeln kennt wie der Biceps. Ein nennenswerter Muskel des Beckenbodens wäre der Musculus obturator internus, welcher Teil des Beckenbodens ist und eine nach innen rotierende Funktion im Hüftgelenk unterstützt, sowie seinen Ansatz am Oberschenkelknochen hat. Die duale Funktion und die anatomische Lage des letztgenannten Muskels ist ein Grund, weshalb der Beckenboden bei Hüft- und Leistenschmerzen ebenfalls in eine Befundung integriert werden müsste.
Zu den wichtigsten Funktionen der Beckenbodenmuskulatur gehört der Schutz der umliegenden Organe, welche bei der Frau die Gebärmutter, Harnblase, Enddarm und Vagina beinhaltet. Beim Mann sind es die Prostata, die Harnblase und der Enddarm. Zu den aktiven Aufgaben der Muskulatur gehört die Kontrolle über Blasen- und Darmentleerung. Ebenfalls ist eine unterstützende Rolle in der Rumpfstabilisation im Aufgabenbereich der Beckenbodenmuskulatur (Carrière, Bo und Stöhrer 2003).
Da die Muskulatur des Beckenbodens unter anderem dafür zuständig ist, dass die Blase- und Darmschliessung bewusst und auch unbewusst gewährleistet ist, können Dysfunktionen dieser Muskulatur unangenehme Symptome und Beschwerden auslösen. Wie fast alle quergestreiften Muskeln, können auch diese Muskeln bewusst und gezielt trainiert werden. Es ist eine Tatsache, dass ein niedriger Östrogenspiegel die Beckenbodenmuskulatur atrophieren lassen kann (Bodner-Adler et al 2020). Ebenfalls hat das britische National Institute for Health and Care Excellence (NICE) im Jahr 2021 bestätigt, dass Frauen mit Beckenboden-Dysfunktionen eine erhöhte Prävalenz von diagnostizierten Angststörungen und Depressionen aufweisen. Die Zusammenhänge sind komplex und können noch nicht genau bestätigt werden. Dies liegt unter anderem auch an den Designs von aussagekräftigen Studien, wie Peinado Molina und Kollegen in ihrer Meta-Analyse von 2024 berichten.
Da Muskeln immer aktive Funktionen im Körper haben, ist auch bei Dysfunktionen im Beckenboden (z.B. Inkontinenz) der aktive Ansatz in der Therapie der Goldstandard. Dies konnte Dumoulin und Kollegen im Jahr 2018 in einem Cochrane Review eindrücklich zeigen. Dabei wurden Frauen untersucht, die entweder an Stressbedingte Urininkontinenz oder gemischt-bedingte Urininkontinenz wie beispielsweise beim Husten, Niesen, sportlichen Aktivitäten oder gewissen Bewegungen wie Lagerungswechsel litten. Dumoulin und Kollegen habe dabei in ihrem wissenschaftlichen Befund konkludieren können, dass Frauen, welche ein gezieltes Aktivierungs- und Entspannungsprogramm der Beckenbodenmuskulatur durchgeführt haben, mindestens 1x weniger/Tag eine Inkontinenz verspürten oder feststellten. Ebenfalls hatten 8x mehr Frauen angegeben, das Gefühl sich geheilt zu fühlen, während jene Frauen, welche in den Studien nur eine Scheinbehandlung oder gar keine Behandlung bekommen haben, weiterhin den Drang nach weiteren Konsultationen rückgemeldet haben. Die meisten aktiven Interventionen wurden über 12 Wochen durchgeführt, während die ersten positiven Resultate nach bereits sechs Wochen gemessen worden sind. Das aktive Training variierte von Anspannungsübungen bis zu komplexeren Übungen mit mehreren Wiederholungen (Dumoulin, Cacciari und Hay-Smith 2018).
Neue Erkenntnisse und neues Wissen wird in Zukunft sicherlich veröffentlicht werden.
Das renommierte Informationsdienstleistungsunternehmen Bloomberg einen Bericht über die stark wachsende Anzahl von jungen Männern, welche Beckenbodentherapeuten in New York City aufsuchen. Der Artikel erschien am 13. Juni 2025.
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Literaturnachweis:
Battaglia, Patrick J., Kevin D’Angelo, und Norman W. Kettner. 2016. «Posterior, Lateral, and Anterior Hip Pain Due to Musculoskeletal Origin: A Narrative Literature Review of History, Physical Examination, and Diagnostic Imaging». Journal of Chiropractic Medicine 15 (4): 281–93. https://doi.org/10.1016/j.jcm.2016.08.004.
Bo, Kari, Helena C. Frawley, Bernard T. Haylen, Yoram Abramov, Fernando G. Almeida, Bary Berghmans, Maria Bortolini, u. a. 2017. «An International Urogynecological Association (IUGA)/International Continence Society (ICS) Joint Report on the Terminology for the Conservative and Nonpharmacological Management of Female Pelvic Floor Dysfunction». Neurourology and Urodynamics 36 (2): 221–44. https://doi.org/10.1002/nau.23107.
Bodner-Adler, Barbara, May Alarab, Alejandra M. Ruiz-Zapata, und Pallavi Latthe. 2020. «Effectiveness of Hormones in Postmenopausal Pelvic Floor Dysfunction—International Urogynecological Association Research and Development—Committee Opinion». International Urogynecology Journal 31 (8): 1577–82. https://doi.org/10.1007/s00192-019-04070-0.
Carrière, Beate, Kari Bø, und Manfred Stöhrer, Hrsg. 2003. Beckenboden: 86 Tabellen. 1. Aufl. Physiofachbuch. Stuttgart: Thieme.
Dumoulin, Chantale, Licia P Cacciari, und E Jean C Hay-Smith. 2018. «Pelvic Floor Muscle Training versus No Treatment, or Inactive Control Treatments, for Urinary Incontinence in Women». Herausgegeben von Cochrane Incontinence Group. Cochrane Database of Systematic Reviews 2018 (10). https://doi.org/10.1002/14651858.CD005654.pub4.
García-Diez, Marcos, Philip Van Kerrebroeck, und Javier C. Angulo. 2024. «Bipedalism and Pelvic Floor Disorders, an Evolutionary Medical Approach». Continence Reports 11 (September):100058. https://doi.org/10.1016/j.contre.2024.100058.
Hagovska, Magdalena, Jan Svihra, Ladislav Macko, Jan Breza, Jan Svihra, Jan Luptak, und Lubomir Lachvac. 2024. «The Effect of Pelvic Floor Muscle Training in Men with Benign Prostatic Hyperplasia and Overactive Bladder». World Journal of Urology 42 (1): 287. https://doi.org/10.1007/s00345-024-04974-7.
Peinado Molina, Rocio Adriana, Sergio Martínez Vázquez, Juan Miguel Martínez Galiano, Mario Rivera Izquierdo, Khalid Saeed Khan, und Naomi Cano‐Ibáñez. 2024. «Prevalence of Depression and Anxiety in Women with Pelvic Floor Dysfunctions: A Systematic Review and Meta‐analysis». International Journal of Gynecology & Obstetrics 167 (2): 507–28. https://doi.org/10.1002/ijgo.15719.
Vrijens, Desiree, Bary Berghmans, Fred Nieman, Jim Van Os, Gommert Van Koeveringe, und Carsten Leue. 2017. «Prevalence of Anxiety and Depressive Symptoms and Their Association with Pelvic Floor Dysfunctions-A Cross Sectional Cohort Study at a Pelvic Care Centre». Neurourology and Urodynamics 36 (7): 1816–23. https://doi.org/10.1002/nau.23186.
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